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  • Bischofsgrablege Rottenburg am Neckar

    Die bestehende Sülchenkirche wurde 1447–1454 errichtet und zeigt spätgotischen Gesamtcharakter. Bei Grabungen im Zuge von Sanierungsarbeiten wurden Fundamente einer vorromanischen Vorgängerkirche aus dem 9. Jahrhundert mit einem Dreiapsidenchor entdeckt. Unter der Vorgängerkirche werden weitere Reste einer noch älteren Vorgängerkirche aus dem 6. oder 7. Jahrhundert vermutet. Die Funde sind kulturhistorisch und archäologisch höchst bedeutsam und sind ein wichtiger Identitätsfaktor für das Bistum Rottenburg-Stuttgart. Der Entwurf übernimmt die axialsymmetrische Grundstruktur des bestehenden Kirchenbaus. Der durch Grabungen entstandene Freiraum wird durch einen monolithischen Körper besetzt und bildet kraftschlüssig das neue Fundament für das bestehende Kirchenschiff. Die neuen Räume bleiben als Negativformen aus dem monolithischen Gebilde ausgespart. Eine klare Raumdramaturgie schafft inszenierte Raumfolgen mit Bewegung und Spannung. Die Gestaltung des Weges zur Grablege folgt dem Thema des langsamen Eintauchens und bereitet den Besucher ruhig und gelassen auf den zentralen Raum der Andacht vor. Eine spezielle Treppenanlage verbindet Oberkirche und Unterkirche. Konzentrationspunkt der Anlage ist der Andachtsraum mit großer Raumhöhe, dessen seitlichen Raumabschluss die Grablege bildet. Der Zugang zum Archäologiebereich liegt auf Höhe des Zwischenpodestes in axialer Verlängerung des ersten Treppenlaufes. Zwei Nischen im Baukörpermonolith, die den vermuteten Seitenapsiden gegenüberliegen, ermöglichen die Präsentation von kleinformatigen Einzelobjekten. Der gesamte Entwurf beinhaltet ein komplexes System als Kombinatorik aus verschiedensten Verhältniszahlen, Proportionen und Symbolen. Sämtliche Raumschalen wurden in Stampflehmbauweise herausgebildet, deren Bautechnik einen monolithischen Körper hinterließ, welcher in seinem schichtweisen Entstehungsprozess dem strukturellen Aufbau von Sedimentgesteinen entspricht. An frühzeitliche Felsengräber erinnernd wurde eine Umgebung entwickelt, die ganz im Sinne der ewigen Ruhe steht. Das durch die Grabungen geborgene Material aus teilweise bis zu 1500 Jahre alter Friedhofserde wurde auf diese Weise dem Ort wieder zurückgegeben und bildet einst wie künftig die Umgebung der Grabstätten.

    Team Entwurf und Projekt: Andreas Cukrowicz, Michael Mayer, Anton Nachbaur Sturm,
    in Kooperation mit Wiesler Zwirlein Architekten, Stuttgart
    Ausstellungsgestaltung: mm+, HG Merz, Stuttgart-Berlin
    Auftraggeber: Bistum Rottenburg-Stuttgart
    Fotos: Adolf Bereuter für cukrowicz nachbaur architekten
    Wettbewerb 2014 1.Preis, Realisierung 2015-17